MusikZone − Die CD-, DVD- und Blu-ray-Sammlung
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Tracks | ||
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1 | I Am The Sun (Part One) | 15:03 |
(Stolt, Roine) | ||
2 | Dream On Dreamer | 02:42 |
(Bodin, Tomas / Stolt, Roine) | ||
3 | Rumble Fish Twist | 08:05 |
(Stolt, Roine) | ||
4 | Monster Within | 12:55 |
(Stolt, Roine) | ||
5 | Chicken Farmer Song | 05:11 |
(Stolt, Roine) | ||
6 | Underdog | 05:29 |
(Stolt, Roine) | ||
7 | You Don't Know What You've Got | 02:39 |
(Fröberg, Hans) | ||
8 | Slave To Money | 07:30 |
(Stolt, Roine) | ||
9 | A Kings Prayer | 06:01 |
(Stolt, Roine) | ||
10 | I Am The Sun (Part Two) | 10:39 |
(Stolt, Roine) | ||
- CD-Kritik von Kristian Selm
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Es gibt Tage, da scheint einfach nichts zu klappen. Da hält man glücklicherweise die alle an einem (!) Tage angekommenen neuen CDs der Flower Kings, Spock's Beard und Echolyn in den Händen und dann gibt der Verstärker den Geist auf. Kein Ton, kein Summen, nicht mal ein leises Rauschen - Sendeschluss. Hatte man da nicht irgendwo noch einen ziemlich zerfledderten Kopfhörer im Schrank rumliegen? Also, flugs alles durchstöbert und da, Hoffnung naht, das Teil ist noch an seinem alten Platz und sieht funktionstüchtig aus. Eingestöpselt - juchu, es funktioniert doch noch etwas in diesem chaotischen Haushalt. Lange Vorgeschichte, kurze Überleitung, jetzt kommt endlich das, worauf der gespannte Leser wartet.
Daran woran andere Bands mühsam feilen, das gelingt den Flower Kings gleich in den ersten Minuten von "Space revolver": man erkennt sie sofort, der Sound aus verspielten Keyboards und singender Gitarre klingt einfach unverwechselbar. Der Opener "I am the sun (Part One)" hat wieder mal alles, was modernen Progressive Rock auszeichnet: grandioses Zusammenspiel, ausgereifte Soli, dynamische Wechsel zwischen Ruhe und Tempo und dazu noch die typischen, leicht abgedrehten Zwischenparts. Sicherlich sehr fordernd, aber genauso gerne taucht man mehrmals in diese Art von Musik ein, da es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt. Interessanterweise gibt als letzten Track mit "I am the sun (Part Two)" eine Fortsetzung, so dass es beiden Teile auf über 25 Minuten bringen und das Album somit umklammernd zusammenhalten.
Zum einen vertrauen The Flower Kings auf Altbekanntes, doch wie auf jedem Album ist wieder Platz für neue Einflüsse: bei "Space revolver" gibt es einen unbestreitbaren Hang zum Jazz Rock, zu härteren, aber auch antiken Sounds (vor allem jede Menge Mellotron und Orgel), wie es auch verhältnismassig viele schräge Parts zu hören gibt. Doch keine Angst, das Gespür für tolle Melodien und ausgewogene, teils sehr hymnische Arrangements ist Roine Stolt und seinen Mannen keineswegs abhanden gekommen. Ein deutlicher Gewinn für die Band ist der seit bereits letztes Jahr hinzugestoßene Bassist Jonas Reingold, der Michael Stolt mehr als vergessen lässt. Dort wo Roines Bruder in typischer Bass-Eckenstehermanier gruppendienlich, aber unauffällig in den Saiten rührte, da brennt Reingold geradezu ein wahres Feuerwerk am Fretless Bass (tolles Solo beim Instrumental "Rumble fish twist") und normalen Bass ab, und bietet technisch, als auch von seinem Variationsreichtum, die perfekte Ergänzung zu Schlagzeuger Jaime Salazar. Weiterer "Neuzugang" ist ein alter Bekannter: Hasse Bruniusson sorgt mit seinen Percussion- und "Gesangs"-einlagen für Abwechslung und vor allem die schräge Note, wie auch Saxophonist Ulf Wallander bei einigen Titeln wieder mit von der Partie ist.
"Space revolver" ist kein einfaches Album, aber je öfter man dieses kompakte Gesamtwerk hört, umso mehr öffnet es sich und führt einen ständig zu neuen Höreindrucken. Okay, es gibt auch wieder einige recht offensichtliche Selbstzitate: der Anfang von "Monster within" klingt wie "Go west Judas" (von "Back in the world of adventures"), die Gitarre tiriliert in den schönsten Höhen und manche Harmonien wirken bekannt. Und dummerweise gibt es auch leider wieder harmlos-nette Singalong-Songs, wie der Anfang von "Chicken farmer song" oder auch Teile von "Underdog", doch sind dies nur kleine verschmerzbare Aussetzer, die nicht den sehr guten Gesamteindruck trüben können. Andererseits sind es auch Einfälle, wie das mehr spartanisch und einfacher arrangierte "You don't know what you got", die dem Album Vielschichtigkeit und Tiefe verleihen.
Von denjenigen, die schon das Glück hatten, das Album vor der offiziellen Veröffentlichung zu hören, gibt es die fast einheitliche Meinung, dass "Space revolver" eindeutig zu den besten CDs dieses Jahres gehört, wenn nicht sogar den 1.Platz verdient hat. Ich schließe mich dieser Meinung vorbehaltlos an.
Noch eine interessante Geschichte zum Abschluss. Bekanntlich kann trotz allgemeiner Begeisterung nicht jeder etwas mit den Schweden anfangen, was ja durchaus in Ordnung ist. Was jedoch ein Amerikaner in einer Mailing List über das Livealbum "Alive on planet earth" schrieb, zeugt entweder von mächtigen Unverstand oder geistiger Entgleisung: "...Das meiste von der Musik ist mittelmäßiger Neo Prog. Wie viele Neo Prog Bands, versuchen die Flower Kings verzweifelt nach Genesis zu klingen und schaffen dies auf zwei Wege: nette instrumentale Zwischenparts, die ordentlich gespielt sind und wirklich niemanden wehtun, sowie schmalzige Pop-Balladen... Von den 11 Stücken dieser Doppel CD, sind gerade fünf oder sechs anhörbar. Abgesehen von den furchtbaren Balladen, gibt es einige Versuche sich stilistisch Richtung Arena-Rock zu bewegen, wobei das Publikum unverständlicherweise völlig ausrastet. Ich schrecke nur zurück und gehe auf die Suche nach der Fernbedienung." Angesichts solch fundierten Sachverstands, kann man vor Erstaunen kaum noch etwas erwidern!